22.–26.02.2021
endlich: der eintritt der erwarteten
apokalypse der ersehnten ausnahme
des erhofften zustands aufgehobenen
lebens eines vorläufig endgültigen
bruchs einer zäsur eines
nest: jetzt sitze ich fest und
warm und spüre nur den stachel und flaum meines
eingerichtetseins auf dem absteigenden
oder jedenfalls wenn auch so weit
über allem anderen schwankenden
ich: vor allen spiegeln in allen schränken
alle schubladen und taschen sind voll
von mir ich löffle die
suppe aus die mich eingebrockt hat und befrage den
teller sobald ich ihm auf den grund
ausbruch: nur nach innen ins kochende
blut ins fleisch in dieses enttäuschend
stabile gerüst der knochen die
hand auf dem nabel nimmt die
morsezeichen des doch noch pochenden
bericht: täglich unvollständig aber
nie ohne den ton des staunens über
und des verzweifelns an und des
hoffens auf vor allem des hoffens
auf denn was wäre ich ohne mein
sag, wo liegst du auf der lauer? was klingt
in deinen ohren nach? und welche
bilder von der welt trägst du
in deine sprache ein?
was treibt dein innerstes
zum äußersten? wo setzt du
deine grenzen neu? wie viele
stiche schließen deine wunden?
einst hielt dich dieser enge rahmen
und eine hand war dir genug
zum segen und zum fluch
jetzt brüllt dein mund ins bodenlose
und jeder finger ist ein schrei
der sich ins unerhörte krallt
er ist der eine zu viel
im boot. es wird kentern.
seine spuren im bosnischen schlamm
im griechischen schnee sind
verwischt. war da was?
er stochert im dreck. und ist
selber ein schandfleck ein
ärgernis eine bedrohung für
unsere sicherheit unsere
ruhe. weg damit.
sein platz ist besetzt. er muss
draußen verröcheln. er zieht
seinen atem wie durch einen
strohhalm. es bleibt ihm kein hauch
für den abschied. was soll’s.
er ist alt. damit ist
alles gesagt: er ist fällig.
er ist jung. ein hallodri.
ihm war es zu viel. er hat
schluss gemacht. besser so.
er ist der zahllosen überzähligen
einer. dass es ihn gab
ist ein gerücht. die menschheit zwar
ist uns wertvoll und teuer.
ihn vermissen wir nicht.
sie sei schon sehr gestresst. doch als noch alle
unentwegt von den balkonen klatschten, sei es
gewesen, als ob man sie auf händen trü-
„schatz, nicht jetzt“, auf händen trüge,
beflügelnd, quasi stellvertretend für all die ausharren-,
„ich sagte, nicht jetzt“, jedenfalls, ja. ihr sei schon klar,
dass „einen moment, bitte, ich muss nur“, schon klar, dass, also
mit dem schutzanzug und so, es sei ein knochen-
„dann hol dir halt eins aus dem kühlschrank“, ein knochenjob,
und ihr vater sei noch dazu pflegebedürftig und habe doch
niemanden außer ihr, das sei schon aufrei-, „eins!“,
also es sei schon „herrgott nochmal, alles auf dem boden“,
ähm.
also gestresst sei sie schon sehr. aber sie wisse ja, dass
andere, die weniger glück, wobei glück sei vielleicht auch nicht,
obwohl doch, man könne schon von glück spre-
„lässt du bitte die katze raus?“, jedenfalls „wo war ich?“,
gestresst. sie wolle sich auch nicht darauf reduzieren lassen, aber
ihr leben derzeit laufe wie auf schie-, „ich kann jetzt nicht, siehst du doch“
zwischen arbeit und wohnung und „kannst nicht du deiner schwester helfen?“,
ihre kontakte seien auch völlig eingeschla-, „in der zweiten schublade“,
es habe eben jeder, und treffen könne man sich ja auch nicht und
dieses telefo-, „warum ist die katze noch da? jetzt hat sie aufs sofa
gekotzt!“, das schlimmste sei, dass man „oh gott“ nicht wisse, wie lange
„ich komm ja gleich“ das noch so weitergehe, sie halte das nicht mehr
„ruhe!!“
hinter den bergen sind höhere berge
hinter den tagen zerdehnt sich die zeit
hinter dem schweigen vertieft sich die stille
hinter dem wir gähnt die ödnis zu zweit
sag mir und sei mir und bleib und verschwinde
hör mal erzähl mal ach gib und vergib
lass mich halt’s maul bitte nicht mach dich locker
hasst du mich hast du mich immer noch lieb
alles gesagt aber alles verworfen
kein weg hinaus und auch keiner zurück
haare und haut und die blutigen nägel
abschied in stücken – und schließlich am stück
atem der stillsteht und blick in die leere
einer der du sagt und eine die schweigt
in seinen händen der abdruck der schreie
vorhang der fällt. licht das sich neigt.
Anmerkung: Vom 1. Januar bis zum 22. Februar wurden in Italien 10 Frauen von ihren (Ex-)Partnern ermordet.