Mitte März wurde bekannt, dass es die gute alte Kur, die neben Aufenthalten an ruhigen Orten mit Parks, Eichhörnchen und Thermalbädern auch das unvergessliche Wort „Kurschatten“ gebar, demnächst nicht mehr geben werde. Peter McDonald von der ÖVP hatte dem profil schon im August 2015 erklärt: „In Österreich haben wir eine sehr ausgeprägte Vollkasko-Mentalität. Mit Gesundheit wird schlechter umgegangen wie [sic!] mit einem Auto: Viele wollen quasi in die Werkstatt fahren und repariert wieder herauskommen – nach dem Motto: Ich muss nicht auf meine Gesundheit schauen, der Staat oder die Sozialversicherung wird es schon für mich richten. Wir wollen das so ändern, dass den Menschen bewusst wird, dass man für seine Gesundheit auch selbst etwas tun muss – und wir als Sozialversicherung müssen diesen Prozess optimal unterstützen.“ Das neue Modell heißt nun „Gesundheitsvorsorge Aktiv“: „Die Maßnahme ist Teil der Pläne zur Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters. Ziel ist die Erhaltung der Erwerbsfähigkeit und die Verlängerung der gesunden Lebensjahre.“ Auf welchem Teil des letzten Satzes die Emphase liegt, kann man sich denken.
Das ist nur ein kleiner Baustein der schönen neuen türkisblauen Welt, in der Eigenverantwortung großgeschrieben wird, solange sie der Wirtschaft und der Lohnarbeit dient. Gesundheit ist kein Zweck für sich, sondern ein Mittel zum Zweck: der gesunde Körper und der gesunde Geist im Dienst der Ökonomie.
Ein Schelm, wer denkt, dass die Abschaffung der Kur und ihre Ersetzung durch die „Gesundheitsvorsorge Aktiv“ etwas mit den dieser Tage auf Facebook auftauchenden Schauermärchen von der Muslima zu tun habe, deren Mann mit ihr auf Kur fahre, die sie aus religiösen Gründe nicht allein antreten dürfe. Das gilt laut Schauermärchen natürlich für alle Moslems. Und: Der Moslem, dessen Frau nicht allein auf Kur dürfe, müsse selbstverständlich nichts für seinen Kuraufenthalt zahlen. Familienkur also, vermutlich war der Familiennachzug bereits geplant — inklusive Schlammpackungen, Massagen, Gebetsteppichen, schweinefleischlosem Essen, Nikolo‑, Christkind- und Osterhasenverbot. Geht’s denen gut! Und den echten Österreichern wird die Kur verweigert!
Das ist das Verheerende an der Stimmung, die in diesem Land — und nicht nur in diesem — herrscht. Jedes Problem wird mit Rassismus beantwortet, mit Flüchtlingen und dem Islam bepackt. Nachdem Gregor Gysi in einer Fernsehdiskussion über die Macht der Konzerne, ihre Steuervermeidungstricks und globale Ausbeutungszusammenhänge gesprochen hatte, rief Andreas Khol aus, als verkündete er ein Glaubensbekenntnis: Aber es sei die Migration! Für achtzig Prozent der Menschen sei die Migration die brennende Frage!
Da hat er ausnahmsweise recht: Allerdings waren es in erster Linie seine Partei und die Freiheitlichen, die jede soziale Frage mit Massenzuwanderung, Islam und Flüchtlingen erklärten. Sebastian Kurz hält sein Wort. Nach hundert Tagen an der Regierung wird er nicht müde, in den ersten Bilanzen zu beteuern, dass er die Westbalkanroute geschlossen habe, dass man nun dafür sorge, dass es keine weitere Einwanderung ins Sozialsystem gäbe, kurz, dass man jene Sorgen der Menschen, die Strache und er befeuert haben, anpacke: indem man die Ausländerfrage lösen werde.
Das ist die ewige Schande des ehemaligen Staatssekretärs für Integration. Und die ewige Schande einer Partei, die sich an Sonntagen noch immer christlich nennt. Ostern steht bevor: Vielleicht gibt es ja auch einmal einen „Österreichischen Frühling“. Man wird noch träumen dürfen!