Moderation: Anna Rottensteiner
Eine Zeitlang schien es, als würde Österreich den Flüchtlingskatastrophen, die sich vor der Küste von Lampedusa abspielen, nur betroffen zusehen, ohne sich dabei selbst in der Verantwortung zu sehen. Mittlerweile hausen Flüchtlinge aus den Kriegs- und Krisengebieten rund um Europa hierzulande in Zeltstädten, und nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa wird um die Verteilung und Unterbringung von Flüchtlingen gefeilscht. Die Bevölkerung scheint gespalten: Lokalen Aktionen der Hilfsbereitschaft und der Solidarität steht eine, von Rechtsparteien geschürte, wachsende Angst vor einer „Überfremdung“ gegenüber. Dass Österreich mit Flüchtlingen eine lange Geschichte verbindet, scheint in der aktuellen Debatte oft ausgeblendet: 1956 kamen mehr als 150.000 Ungarn nach Österreich, nahezu 20.000 blieben auf Dauer; in den 1990er Jahren wurden fast 100.000 Menschen aus den Kriegsgebieten (Ex-)Jugoslawiens aufgenommen, mehr als 50.000 blieben. Für den Autor Martin R. Dean scheint „das Wagnis der Differenz, auf das wir mit unserem Denken die letzten fünfzig Jahre gebaut haben, verloren gegangen“ zu sein. In einer westlich-orientierten Welt der globalen Freiheit ist das „Fremde“ am Verschwinden und damit auch „die Fähigkeit es auszuhalten“, schreibt er in einem Essay. Inwiefern haben sich unser Bewusstsein und unsere Wahrnehmung des Fremden und der Flüchtlinge in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert? Worin liegen die Ursachen dieser veränderten Wahrnehmung? Darüber diskutieren der Autor Martin R. Dean und der Ethnologe Gilles Reckinger.
Eine Kooperation zwischen Literaturhaus am Inn und der Abteilung
für Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Innsbruck
schauen & lesen & hören: Lesen Sie dieses Mal im Inn-Lesebuch auf unserer Homepage den Essay Allmähliches Verschwinden aus Martin R. Deans Buch Verbeugung vor Spiegeln. Über das Eigene und das Fremde