Moderation: Anna Rottensteiner
In ihrem Roman Der Winter tut den Fischen gut entwirft Anna Weidenholzer behutsam und mit einem hellwachen Blick für das Absurde im Alltäglichen und das Alltägliche im Absurden ein Bild von einer Frau am Rande der Gesellschaft: Maria hat Zeit. So sitzt sie tagsüber oft auf einer Bank am Platz vor der Kirche, beobachtet das Treiben dort, ein Kommen und Gehen, Leute, die Ziele haben und wenig Zeit. Die arbeitslose Textilverkäuferin kennt sich mit Stoffen aus, weiß, was zueinander passt, was Schwächen verbirgt und Vorzüge betont. Alt ist sie nicht, sie steht mitten im Leben, vielleicht nur nicht mit beiden Beinen. Aber ihr Leben läuft trotzdem rückwärts, an seinen Möglichkeiten, Träumen und Unfällen vorbei. Anna Weidenholzer zeigt in ihrem Roman vor allem, was das heißt: Der Rand der Gesellschaft ist immer noch mitten im Leben. Und davon ist dieses Buch voll wie selten eines.
In ihrem Debütroman Halber Stein schreibt Iris Wolff über Sine, eine junge Frau, die nach Abschluss ihres Studiums auf der Suche nach ihrem beruflichen Weg ist und die nach über 20 Jahren an den Ort ihrer Kindheit zurückkehrt. Ihre Großmutter Agneta ist gestorben, und gemeinsam mit ihrem Vater Johann ist sie zu deren Begräbnis nach Siebenbürgen gereist. Das Haus der Großmutter zieht sie vom ersten Augenblick an in ihren Bann: das Gebäude mit seiner geheimnisvollen Architektur, dem vermauerten Eingang zur ehemaligen Familienfärberei, den verschiedenfarbigen Räumen, Winklen, Aufböden und Treppen erinnert sie an ihre Kindheit, die Zugehörigkeit zu Natur und Landschaft, das Spiel in Haus und Garten. In die Trauer mischt sich die Trauer über die verloren geglaubte Heimat. In poetischen Landschaftsbildern wird die Familiengeschichte Sines geschildert, die Orte und Menschen werden durch die große Sprachkraft mit allen Sinnen erlebbar.
Anna Weidenholzer: Der Winter tut den Fischen gut. Residenz 2012
Iris Wolff: Halber Stein. Otto Müller 2012